Viola Weller, 29 Jahre, ist die Frau hinter dem innovativen Sneaker-Label „VLACE“. Jung, energisch und zielstrebig, hat sie den Mut bewiesen, innerhalb von nur zwei Jahren ihre eigene Marke aufzubauen. Ihr Erfolgsgeheimnis? Leidenschaft, Hartnäckigkeit und ein Gespür für nachhaltige Materialien. Im Interview erzählt sie von ihrer Reise, den Herausforderungen und ihrem Blick in die Zukunft.

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Mit 29 zur eigenen Marke: Viola Weller denkt Sneaker neu. (Credit: Viola Weller, VLACE)

 

Vegane Sneaker zu produzieren ist nicht unbedingt die naheliegendste Geschäftsidee. Wie bist du darauf gekommen?

Ehrlich gesagt, das war eher Zufall! Nach meinem Bachelor habe ich verschiedene Praktika gemacht, unter anderem in einer Unternehmensberatung. Dort war ich auf einem Networking-Event und bin zufällig auf einen Hersteller von Ananasleder gestoßen. Ich war total fasziniert! Ich konnte gar nicht aufhören, Fragen zu stellen – der arme Kerl wollte schon weiter, aber ich hab ihn einfach nicht gehen lassen (*lacht). Das Thema hat mich dann nicht mehr losgelassen, so dass ich mich später noch intensiver damit beschäftigt habe. So bin ich dann auf Traubenleder gestoßen, das heute mein Hauptmaterial ist. Es wird aus Abfällen der toskanischen Weinproduktion hergestellt – also echtes Upcycling!

Traubenreste an den Füßen? Wie wird aus Obstabfällen ein haltbares und hochwertiges Material für Sneaker?
Klingt erstmal verrückt, oder? Aber es funktioniert! Die Abfälle werden getrocknet und zu feinem Mehl verarbeitet. Das wird dann mit recycelter Baumwolle, Bio-Polyurethan und Wasser gemischt. Der Anteil an Traubenresten liegt zwischen 40 und 60 Prozent. Momentan brauchen wir noch recyceltes Polyester, um das Material stabil zu machen. Aber wir arbeiten daran, es langfristig zu ersetzen. Nachhaltigkeit ist halt ein Prozess!

Es gibt ja viele nachhaltige Produktmöglichkeiten – Stichwort: T-Shirts, Taschen oder Accessoires. Warum hast du dich gerade für Sneaker entschieden?
Ich habe selbst jahrelang große Marken wie Adidas und Nike getragen und mich gefragt, wie sie produzieren. Die Recherche war ernüchternd: Billige Produktion in Asien, viel Leder aus problematischen Quellen. Viele halten Leder für ein edles Material, doch in Wirklichkeit stammt es oft aus Massentierhaltungen und wird unter fragwürdigen Bedingungen in Ländern wie Bangladesch oder Indien zu Niedrigstpreisen hergestellt. Ein Meter Rindsleder kostet gerade mal 2 Euro, während ein Meter Traubenleder mit stattlichen 40 Euro zu Buche schlägt! Auch die Herstellung mit Blick auf die Arbeitsbedingungen sind katastrophal und für mich nicht vertretbar. Also dachte ich mir: Warum nicht ein nachhaltiges Pendant entwickeln?

Wie hast du die Umsetzung deiner Idee angepackt?
Ganz klassisch: mit einer Zeichnung auf einem A4-Blatt (*lacht). Ich bin dann ohne Kontakte und große Stückzahlen für 4 Monate nach Portugal gegangen, einfach in der Hoffnung, dort Produzenten zu finden. Ich bin wortwörtlich Klinken putzen gegangen – ohne Termine, einfach rein in die Werkstätten. Du kannst dir vorstellen, wie viele Leute mich da erstmal belächelt haben! Nach rund 50 Terminen habe ich dann endlich jemanden gefunden, der bereit war, mit mir zu arbeiten. Und so ging es los.

Warum gerade Portugal?
Portugal ist in Sachen nachhaltige Materialien super fortschrittlich! Kork ist dort ein riesiges Ding – wenn du mal da warst, hast du bestimmt die ganzen Taschen und Sandalen aus Kork gesehen. Zudem wird fast jeder in Europa gefertigte Sneaker in Portugal produziert. Das passte perfekt!

Gab es Rückschläge?
Oh ja! Nachdem wir das erste 3D Modell angefertigt hatten; jede Naht zusammen durchgegangen sind, brauchte es eine Sohle. Wie schwer kann es sein, eine Sohle zu finden? Antwort: Sehr schwer! Mein Material ist weich, viele Sohlen waren zu hart – die hätten das Obermaterial reißen lassen. Also bin ich zu 20 verschiedenen Herstellern gegangen, bis ich endlich die perfekte Sohle gefunden habe. Solche Herausforderungen sind nervenaufreibend, aber bringen dich auch weiter.

Viele Menschen haben gute Ideen, aber Angst vor dem Scheitern hält sie zurück. Hattest du nie Zweifel?
Eigentlich nicht. Ich bin direkt aus dem Master gestartet und wusste: Falls es nicht klappt, habe ich immer noch eine Ausbildung und kann etwas anderes machen. Ich habe klein angefangen, mein WG-Zimmer gekündigt, mir ein kleines Airbnb in Portugal genommen und bin dann erstmal in den Vorverkauf gestartet. Erst als die ersten 500 Bestellungen kamen, habe ich in die Produktion investiert. Risiko? Klar. Aber ein kalkulierbares!

Wie hast du dein Business seitdem weiterentwickelt?
Anfangs habe ich mich auf B2B konzentriert. Unternehmen haben mich kontaktiert, weil sie ihre Mitarbeiter mit nachhaltigen Sneakern ausstatten wollten. Das lief gut, aber dann kam der Punkt: Was jetzt? Ich musste breiter denken und habe angefangen, gezielt auf Unternehmen zuzugehen, Messen zu besuchen etc. Seit Mitte letzten Jahres stärke ich vor allem den Online-Shop, der bald 70 Prozent des Umsatzes ausmachen soll.

Wie wichtig ist es, an Zielen festzuhalten?
Extrem! Ich sehe so viele Leute mit tollen Ideen, die aber nie ins Handeln kommen. Ich habe es einfach gemacht – nicht perfekt, aber Schritt für Schritt. Ich kenne viele, die sich in Businessplänen verlieren, alles bis ins Detail planen, aber nie wirklich loslegen. Ich habe gelernt: Du musst einfach mal anfangen, sonst bleibt es nur eine Idee auf Papier.

Deine Reise als Gründerin war sicher auch persönlich eine große Entwicklung. Wie hast du dich verändert?
Ich bin realistischer geworden und kann Rückschläge besser wegstecken. Früher haben mich Probleme total gestresst, jetzt nehme ich sie gelassener. Anfangs war ich oft überfordert – gerade als ich 500 Sneaker verkauft hatte und dann erst mal überlegen musste: ‚Okay, und jetzt?‘ Ich habe gelernt, dass es für fast alles eine Lösung gibt. Und wenn ein Weg nicht funktioniert, probiere ich einen anderen.

Wie gehst du mit Stress um? Hast du Strategien, um Mental Breakdowns zu vermeiden?
Ja! Ich lege abends bewusst mein Handy weg – bin eine echt schlechte WhatsApp-Antworterin geworden (*lacht). Außerdem habe ich mich auf enge Freundschaften konzentriert und ein Netzwerk aus anderen Gründerinnen aufgebaut. Der Austausch hilft ungemein.

Frauen sind in der Startup-Welt immer noch unterrepräsentiert. Woran liegt das deiner Meinung nach?
In meinem Umfeld sind es tatsächlich viele Frauen. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe mit etwa zehn Unternehmerinnen, die alle eigene Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Aber allgemein? Ich glaube, Frauen sind oft zu perfektionistisch und vorsichtig. Während Männer mutig mit halbfertigen Ideen starten, wollen Frauen alles bis ins Letzte durchdenken. Ich wünsche mir, dass mehr Frauen einfach loslegen!

Dein Produkt hat ja offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. Was meinst du, wie wird das in Zukunft aussehen? Wird Nachhaltigkeit an den Füßen zu einer großen Bewegung oder bleibt es ein Nischenmarkt?
Ich denke, es bleibt ein Nischenmarkt. Große Marken werden ab und zu nachhaltige Limited Editions bringen, aber die Masse wird weiterhin billig in Asien produzieren. Trotzdem sehe ich eine wachsende Community für nachhaltige Produkte – und genau die möchte ich bedienen!

Die Autorin

Judith Lorenzon
Judith LorenzonRedakteurin